Jens Kerbel

 

FOTOGALERIE | VIDEO

 

 

 Juliane Kann

 

BIRDS

 

 

Eröffnung der Jungen Woche der Internationalen Maifestspiele 2012, Hessisches Staatstheater Wiesbaden

 

___________________________________________________________________________________________

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Inszenierung: Jens Kerbel

 Ausstattung:  Gesine Kuhn

 Dramaturgie: Maja Friedrich

 

 Mit: Lilian Mazbouh, Claudia Plöckl, Sergej Gößner, Benjamin

 Hübner (WA), Thomas Jansen  

 

 

 

 Premiere: 29. Mai 2012, Staatstheater Wiesbaden

 

   

  

Jana ist schön, klug, beliebt und mit Boris zusammen. Boris‘ Freund Jannis kann alle Mädchen haben – behauptet er lautstark. Und: er steht auf Jana. Jana pfeift auf Jannis‘ Annäherungsversuche. Dennoch ziehen sich beide unwiderstehlich an. Maria, Janas beste Freundin, empfindet vielleicht mehr für sie als sie zugeben will. Die Gespräche drehen sich stets um das eine Thema: Sex. Auf einer Party kommt es zu einer unheilvollen Begegnung zwischen Jannis und Jana, die direkt in die Katastrophe führt.

‚Birds‘ ist ein aufwühlendes ‚Frühlings Erwachen‘ in einer unbarmherzigen Realität. Vor dem Hintergrund erster intensiver emotionaler Erlebnisse und körperlicher Unsicherheiten zeigt Juliane Kann Jugendliche, die viel zu früh aus dem Nest gefallen sind und die ihre Ängste, Sehnsüchte und Verletzungen bis zur letzten Konsequenz mit sich selbst verhandeln. ‚Birds‘ ist ein fesselndes Drama über Liebe, sexuelle Gewalt und den Versuch, in einer heillosen Welt Beziehungen zueinander zu finden.

Juliane Kann zählt zu den erfolgreichsten Autorinnen ihrer Generation. Ihr Stück ‚Birds‘ wurde in der Langen Nacht der Autoren 2008 am Thalia Theater mit dem Preis der Thalia Freunde ausgezeichnet.

 

 

 

  Foto: Lena Obst

 

 

 

  

RÄUMLICHE KONZEPTION:

Wir wählen einen kargen, schwarzen Bühnenraum, der mit einem Labyrinth aus aufrechten Stangen und Schaukeln angefüllt ist. Dies eröffnet die, im Stücktitel angelegte, Assoziation eines Vogelkäfigs, wie auch die Assoziation eines Waldes und eines Spielplatzes und steht somit für die Sehnsucht nach der verlorenen Kindheit. Kargheit und labyrinthischer Charakter der Bühne sollen die Verlorenheit der Figuren, die eigene Unbehaustheit und das Gefangensein im eigenen Körper transportieren.
Die Räume links und rechts der Spielfläche werden in den Bühnenraum einbezogen. Der Raum verläuft hier in einen scheinbar unendlichen Wald aus Stangen und Schaukeln. Da es keine Auf- und Abtritte der Schauspieler geben wird, dient diese zusätzliche Spielfläche auch als Aufenthaltsort, als Platz zum Verstecken und Zurückziehen, birgt aber auch ein Geheimnis.
Eine weitere Bühnenebene eröffnen wir hinter den zwei Türen in der Rückwand. Hier befindet sich ein gemalter Wolkenhimmel, ein scheinbarer Blick in die Freiheit, der jedoch nur eine weitere Begrenzung darstellt und nur die Illusion einer Realität darstellt.
Der Raum eröffnet sowohl die Möglichkeit, ihn in seiner Gänze zu nutzen, wie auch einzelne Szenen gezielt zu verorten. Veränderungen der Bühnensituation, schaffen wir mit wenigen, gezielt eingesetzten Elementen, wie z.B. einem kleinen beleuchteten Zelt, einem Berg aus Kissen oder der Nutzung der Bodenklappe als Grab.
Für die Gestaltung des Bühnenraums verwenden wir widersprüchliche Materialien wie Naturholz, Metall, Kissen und schwarze Federn auf dem Boden. Als Farbtupfer auf der weitestgehend kargen Bühne, setzen wir die Requisiten ein, die dadurch eine größere Konzentration erfahren.

 

 

  

 Bühnenbildentwurf von Gesine Kuhn (Modellfoto)

 

 

 

 

PRESSE: 

 

Premiere von „Birds“ bei den Maifestspielen im Staatstheater Wiesbaden

 

02.05.2012 - Wiesbadener Kurier/Tagblatt

 

Von Shirin Sojitrawalla

 

Die Pubertät ist auch die Zeit der Unbarmherzigkeit: Distanzlos den eigenen überbordenden Gefühlen gegenüber, stimmungsschwankend wie ein Kettenkarussell und irgendwie immer auf 180 - obenauf oder ganz unten. In ihrem Stück „Birds“ lässt die preisgekrönte Autorin Juliane Kann vier Teenager aufeinander los wie junge Kampfhunde und trägt dabei ziemlich dick auf. Jana bildet das unheilvolle Zentrum der Viererkette. Lilian Mazbouh spielt sie als vorlaute junge Frau, die nur aus Mund und Augen zu bestehen scheint, in einem Moment rotzig jammert und im nächsten ein entwaffnendes Lächeln in die Welt schickt.

 

Diese Schauspielerin scheint immer auf dem Sprung und immer einen reizenden Zacken drüber. Jana ist zusammen mit Boris; Thomas Jansen verkörpert ihn als mit galoppierenden Gefühlen kämpfenden Schlaks, Jugend im blauen Blick und Druck in der Hose. Aufgrund einer Beinprothese wird Boris als „Krüppel“ verlacht und mag allein schon deswegen nicht recht glauben, dass Jana es ernst meint mit ihm.

 

Sein Freund Jannis (Sergej Gößner) will das auch nicht glauben, weswegen er Jana nachstellt, wo es nur geht, wobei sie ihm nicht immer ausweichen kann. Die vierte im Bunde ist Maria (Claudia Plöckl), die Jana mehr als liebt, auch wenn sie das noch nicht sagen kann.

 

Ihr aller Hauptthema ist: Sex. Boris will, Jana nicht, Jannis macht es, Maria weiß noch nicht, mit wem. Doch was als kraftwortstrotzendes Geplänkel beginnt, mündet in eine Kindertragödie, die diesen Namen verdient. Das Stück ist wahrhaftig heftig. Selbst als vermeintlich erwachsenem Zuschauer bleibt einem da am Ende die Spucke weg. Da das nur passiert, wenn man nicht weiß, was passiert, müssen wir hier im Ungefähren bleiben. Jens Kerbel hat das Stück für die Studiobühne inszeniert, wo es jetzt den Auftakt der Jungen Woche im Rahmen der Maifestspiele bildete. Die Bühne hängt voller Schaukeln, was sich als tragfähiges Symbol erweist, werden Schaukeln doch von Kindern wie Jugendlichen benutzt und versinnbildlichen den schwankenden Grund allen Erwachsenwerdens und das Ende jeglichen Stillstands.

 

Den Bühnenboden bedecken schwarze Federn, die gespenstisch aufwirbeln und später Friedhofserde vortäuschen. An dieser Stelle muss unbedingt die Arbeit von Gesine Kuhn gelobt werden, die für die konsequent fabelhafte Ausstattung mit Sinnlichkeit und Verstand verantwortlich ist. Immer wieder gelingen ihr und dem Regisseur an diesem dichten, nur ab und an langwierigen Abend sinnfällige Bilder, die vom Größenwahn der Jugend wie von ihrer Schutzbedürftigkeit erzählen.

 

 

 

 

Jens Kerbel inszeniert „Birds“ für die Junge Woche der Maifestspiele

 

24.04.2012 - Wiesbadener Kurier/Tagblatt

 

Von Marianne Kreikenbom

 

„Birds“ heißt das Stück von Juliane Kann, mit dessen Inszenierung Regisseur Jens Kerbel aus Bonn am kommenden Sonntag die Junge Woche der Internationalen Maifestspiele 2012 eröffnen wird. Kein einfaches Stück, das weiß Kerbel. Es fordere das Publikum, vor allem das junge. „Sicher ein Wagnis, vielleicht auch in meiner Regie“, sagt er und lächelt vage. Was da auf der Bühne verhandelt werde, sei teilweise sehr drastisch. Starker Tobak sozusagen. „Aber wir wollen nichts abschwächen.“

 

„Birds“ ist der letzte Teil einer Jugendtrilogie der 1982 in Mecklenburg geborenen Autorin. Nur zwei Inszenierungen habe es seit der Uraufführung 2009 gegeben. Die Theater sind heiß auf Uraufführungen, weniger aufs Nachspielen.

 

Zeitgemäße Beziehungen unter Jugendlichen

 

Wie ist Jens Kerbel (Jahrgang 1975) zur Jungen Woche gekommen? „Ganz klassisch: Stefan Schletter und Oliver Wronka vom Jungen Staatstheater Wiesbaden haben sich eine meiner Inszenierungen am Theater Bonn angesehen und mich dann gefragt.“ Über das Stück sei man sich schnell einig geworden. Auch die Besetzung mit Lilian Mazbouh, Claudia Plöckl, Sergej Gößner und Thomas Jansen habe keine Schwierigkeiten bereitet, erzählt Kerbel. Alles passte.

 

Juliane Kann thematisiert in ihrem Stück schwierige und zugleich wohl auch typische, sprich: zeitgemäße Beziehungen unter Jugendlichen. Das, was man gemeinhin Pubertät nennt, beschert ihnen keine dieser netten Herz-Schmerz-Geschichten, sondern die Auseinandersetzung mit „handfester“ Sexualität und fragilen Beziehungen sowohl untereinander wie auch in der eigenen Familie. Das Vakuum zwischen Kindheit und Volljährigkeit wird von Kanns Protagonisten auf eine mehr oder weniger unglückliche Art und Weise gefüllt und endet in einer Katastrophe.

 

Arztsohn Jannis (Sergej Gößner) flüchtet sich vor der Heillosigkeit seines Elternhauses in sexuelle Abenteuer. Längst empfindet er kein Mitleid mehr mit seiner vom Vater vernachlässigten Mutter, die trinkt und einen dilettantischen Selbstmordversuch nach dem anderen begeht. Boris (Thomas Jansen) findet Halt in einer Beziehung mit der von allen begehrten Jana (Lilian Mazbouh). Aber kann er, der „Krüppel“ mit Beinprothese, dieser Liebe trauen? Janas Eltern wollen sich scheiden lassen. Ihr kleiner Bruder Mo kommt damit nicht zurecht. Maria (Claudia Plöckl) schließlich fühlt sich auf eine verstörende Weise von ihrer besten Freundin Jana angezogen.

 

In einer selten erlebten Intensität und Direktheit erzählt die Autorin von einer ungeschützten Zeit großer Gefühle und tiefer Verletzungen. Das Stück, so erklärt der Regisseur, spiegele eine krasse Realität, treffe aber Ton und Situation immer haargenau. „Bis auf eine einzige Ausnahme hat man das Gefühl, dass die Figuren so agieren und reagieren wie sie müssen.“ In Kerbels Inszenierungen treffen sich Inhalt, Regie und Raum und werden eins. Auch der Raum spielt mit. Gern arbeitet er - wie hier bei „Birds“ - mit der Bühnenbildnerin Gesine Kuhn zusammen. In Assoziation zum Titel „Birds“ (Vögel) für junge Menschen, die auf und davon wollen und zugleich Sehnsucht nach der verlorenen Kindheit fühlen, haben sie sich auf einen kargen schwarzen Bühnenraum mit einem Labyrinth aus Stangen und Schaukeln verständigt - Käfig und Spielplatz.

 

Ein „Frühlings Erwachen“ aus der gnadenlosen Gegenwart hat man das Stück von Juliane Kann in Anspielung auf Frank Wedekinds gleichnamiges Drama genannt. Von einer „gefühlten Ähnlichkeit“ würde Jens Kerbel sprechen. „Beide Stücke sind sich in der Temperatur sehr ähnlich.“ Ein Stück fürs Jugendtheater? „Man könnte es auch im Erwachsenentheater aufführen, dann aber würde ich es anders inszenieren.“

 

 

 

 

 

Musik: Eels - I like birds