Jens Kerbel

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DIE ENTDECKUNG DER LANGSAMKEIT (UA)

 

Nach dem Roman von Sten Nadolny

 

Konzept/Fassung/Regie: Jennifer Whigham und Jens Kerbel

 

 

 Foto: Thilo Beu

 

 

 

„Ohne es zu merken, hätte die Menschheit insgesamt die Wirklichkeit plötzlich verlassen; alles, was seitdem geschehen sei, wäre gar nicht wahr; wir könnten es aber nicht merken. Unsere Aufgabe sei es nun, diesen Punkt zu finden…“ (Elias Canetti)

  

Schon als kleiner Junge träumt er davon, zur See zu fahren, fremde Welten zu erforschen. Er will es weit bringen, weit, weit weg nicht nur von Zuhause, wo ihn keiner versteht. Denn John Franklin ist langsam. Sehr langsam. Viel zu langsam, so meinen alle, um jemals auch nur in die Nähe seines großes Ziels – der Entdeckung der legendären Nordwestpassage immerhin! – gelangen zu können. John jedoch lässt sich von der Häme und dem Tempo der Welt nicht beeindrucken, nimmt sich das Recht, die Welt in seiner eigenen Geschwindigkeit zu entdecken und geht unbeirrt seinen Weg. Ob er jemals irgendwo ankommen wird?

 


 

 Eine Produktion von P E T projects

 

 Konzept/Fassung/Regie: Jennifer Whigham und Jens Kerbel

 Ausstattung: Gesine Kuhn und Sigrid Trebing

 Dramaturgie: Kristina Wydra

 Sound- und Videodesign: Lars Figge

 

 Mit: Sabine Osthoff und Roland Sibernagl

 

 

 

Premiere am 3.3.2012 im Rahmen des Festivals Duisburger Akzente 2012.  

 

 

                                                                                       

 

 

 

 

Räumliche Konzeption:

  

Für die Duisburger Akzente erarbeitet P E T projects eine Dramatisierung von Sten Nadolnys Roman "Die Entdeckung der Langsamkeit". Der Szenischen Installation werden fünf unterschiedliche Raumkonzepte zu Grunde gelegt, die durch installative Ansätze eine Referenz zur dramatischen Handlung, wie auch zur gegenwärtigen Relevanz des Romans herstellen. Das Projekt wird im MercatorQuartier, einem ehemaligen Schulgebäude, das nun das Festivalzentrum der Duisburger Akzente beherbergt, entstehen. Dabei werden nicht nur die ehemaligen Klassenräume des Schulgebäudes benutzt und einbezogen, auch in der Schule vorgefundene Materialien werden integriert und umgedeutet.

   

 

Raumentwurf von Gesine Kuhn - Raum 1

 

 

 

 

 

Raumentwurf von Gesine Kuhn - Raum 3

 

 

 

PRESSE:

 

  

WAZ, 8.3.2012

 

Mit Romanen reisen

 

DUISBURG. Wie unterschiedlich die Umsetzung von Prosa in Bühnenstoff ausfallen kann, ist beim Theaterprogramm der Akzente im Mercator-Quartier zu erleben.

Der wunderbare, fast 30 Jahre alte Roman „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny, umgesetzt mit zwei großartigen Schauspielern – der mittelmäßige Roman „Zwischen Gott und der See“ von John Vermeulen, gelesen von zurückhaltenden Protagonisten: Wie unterschiedlich die Umsetzung von Prosa in Bühnenstoff ausfallen kann, ist beim Theaterprogramm der Akzente im Mercator-Quartier zu erleben.

Bei Jennifer Wigham und Jens Kerbel werden sechs Räume des ehemaligen Berufskollegs zu Stationen im Leben des britischen Seefahrers John Franklin (1786-1847), der bei der Suche nach der Nordwestpassage ums Leben kommt. Nadolny erfindet ihn als Außenseiter, dessen Gehirn überaus langsam, aber sehr sorgfältig arbeitet. John ist zu langsam, einen Ball zu fangen, aber merkt sich ganz genau, was er über Schifffahrt und Navigation wissen muss.

 

"Wie, bitte, komme ich auf ein Schiff?"

 

In dieser „szenischen Installation“ stimmt alles. Vor allem die beiden Schauspieler. Roland Silbernagl spielt John Franklin starr und starrköpfig, wundersam und wortkarg. Aber wenn er etwas sagt, dann ist das wichtig: „Wie, bitte, komme ich auf ein Schiff?“ ist sein erster Satz, den er noch als Kind spricht – und bringt auf den Punkt, was sein Leben sein wird. Sein quirlig-sprechender Gegenpol ist Sabine Osthoff als Spielkameradin, Geliebte, Ehefrau, Heldenwitwe. Kompliment, wie scheinbar mühelos sie die (bei allen Streichungen) große Textmenge bewältigt. Die Ausstatterinnen Gesine Kuhn und Sigrid Trebing haben sechs Räume geschaffen, die das Publikum nicht nur atmosphärisch einbinden, die Kindheit der Sonderlings, das Grauen auf dem Kriegsschiff, auf dem John angeheuert hat, das Dunkel und die Enge in einem Schiffsrumpf und die Gefahr des Packeises zu spüren: Ein weißer Raum, in dem fragil angeordnete Neonröhren zu Eisbergen werden.

 

Auch die Nähe zum Publikum stellt große Intensität her, zugleich wird auch mit Leichtigkeit erzählt. Ein fesselnder Abend, hingehen! (Am: 15. März, 19 Uhr, 16. und 17. März, 20.30 Uhr).

Schauspielerin Friederike Schmahl und Rezitator Joachim Henn gelingt es in ihrer Bearbeitung von Vermeulens Roman über Leben und Werk Gerhard Mercators nicht, dem Werk mehr Spannung einzuhauchen als die absehbare Geschichte bietet, die im Taschenbuch auf 690 Seiten dahin plätschert. Begrüßt wird das Publikum auf der „MS Mercator“ – das bleibt Behauptung. Die beiden Darsteller lesen viel vor vom Ehe-Alptraum Gerhards und Barbaras sowie den schrecklichen Familiengeheimnissen. 105 lange Minuten: 14. März, 19 Uhr, 15. und 18. März, 20.30 Uhr.

 

Von Anne Horstmeier

 

 

 

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Langsamkeit ist nicht Stillstand.

 

 

(aus FAZ, 17.3.2002)

 

Aber wie schnell ist dann Langsamkeit? Wo hört sie auf? Wo fängt sie an? Und kann man dann immer noch erfrischenden Fahrtwind spüren?

 

Fragen über Fragen, von denen man seit fast zwanzig Jahren glaubt, daß in diesem Buch gründlich darüber nachgedacht wird. Das muß man auch glauben, wenn man sich den Titel noch einmal auf der Zunge zergehen läßt: "Die Entdeckung der Langsamkeit". So könnte ein Buch heißen, das den soziokulturellen Problemen von veränderter Lebensgeschwindigkeit unerschrocken ins Auge sieht und laut dazu aufruft, sich der Geißel der Geschwindigkeit nicht zu ergeben. Ein Stück Zivilisationskritik.

 

Tatsächlich ist Nadolny etwas ganz Erstaunliches gelungen: die Langsamkeit von ihrem muffigen Image zu befreien. Sein Buch ist zugleich Historiengemälde, Seefahrerroman, Aussteigerroman und Liebesgeschichte, aber dieses Vielerlei steht dem Roman gut zu Gesich

t, weil das Recht, die Welt in einer eigenen Geschwindigkeit zu entdecken, darin wie nebenbei eingeschmuggelt ist.

Nadolny erzählt von dem britischen Seefahrer und Polarforscher John Franklin, der tatsächlich von 1786 bis 1847 gelebt hat und bei dem Versuch, die Nordwestpassage durch das arktische Archipel auszukundschaften, ums Leben kam. Die historischen Quellen sind gut studiert, für den eisernen Willen des Forschers hat Nadolny eine eigene Erklärung gefunden: Franklin schaltet zu langsam. Seine Augen und Ohren halten jeden Eindruck zwecks genauer Überprüfung auf, bevor sie das Signal ans Hirn weiterleiten. Er nimmt die Dinge erst wahr, wenn sie schon vorbei sind, er kann als Kind beim Spielen den Ball nicht fangen und er antwortet auf Fragen erst dann, wenn es längst zu spät ist.

 

Damit ist er eine in der Literatur schon bestens bekannte Figur: ein Außenseiter. Außenseiter müssen aussteigen, um sich selbst zu erkunden. Auch Franklin macht sich auf den Weg, heuert auf einem Schiff an, lernt, lernt das ganze Schiff auswendig, um keine Antwort mehr schuldig zu bleiben, und begreift im Umgang mit Kompaß und Chronometer, daß seine scheinbare Begriffsstutzigkeit nichts anderes ist als eine übergroße Sorgfalt des Gehirns. Seine Langsamkeit kehrt sich in große Ruhe um. Diese Ruhe ist es, die Nadolny auskostet, so daß man gar nicht begreifen kann, wie er daraus zugleich soviel Spannung erzeugen kann.

 

1980 erhielt Sten Nadolny für das fünfte Kapitel des Romans den Ingeborg-Bachmann-Preis. Vierzehn mußte er danach noch schreiben, bis der Roman erscheinen konnte. Ein Debütwerk, in dem der Leser mit erzählerischer Souveränität bis an eine finis terrae mitgenommen wird. Und der letzte Roman einer Epoche, in der noch nicht an den Grenzen der Sprache alle Beschleunigung gesucht wird.

 

 

 

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Schnee, ist im Prinzip sechswinkelig. (Sten Nadolny)