Jens Kerbel

FOTOGALERIE

 

 

 

Christina Masciotti

 

SEHSTÖRUNG (DSE)

 

Deutsch von Kristina Wydra

 

                             Foto: Lilian Szokody

 

 

 

Mondo, eine griechische Einwanderin, kommt zu Augenarzt Dr. Hull. Ihr Problem: eine Sehstörung. Ihre Welt ist buchstäblich in Scherben gegangen, vor ihrem Blick zerfällt alles in Einzelteile. Der Erkrankung voraus ging die Trennung von ihrem Mann, der sie ohne finanzielle Unterstützung zurückgelassen hat. Dr. Hull versucht Mondo zu helfen, mit einer unkonventionellen Behandlungsmethode ... Die New Yorker Autorin Christina Masciotti erzählt eine anrührende Geschichte von zwei einsamen Menschen in einer kalten Großstadtwelt.

 

 

 

Inszenierung: Jens Kerbel

Bühne: Carla Friedrich

Kostüme: Mathilde Grebot

Musik/Video: Lars Figge

Licht: Sirko Lamprecht

Dramaturgie: Almuth Voss

 

Mit: Susanne Bredehöft, Stefan Preiss

 

 

Premiere im Rahmen des Festivals "Szene New York": Februar 2011, Theater Bonn

 

 

 

 

 

PRESSE:

 

Bonner General-Anzeiger, 07. Februar 2011


Szene New York: Jens Kerbel zeigt Christina Masciottis "Sehstörung"


Mondos Welt liegt in Scherben. So jedenfalls sieht sie es. Wobei der Name der Krankheit, die eines ihrer Augen bei allen hat, viel zu lang ist, um ihn behalten zu können. Und im Grunde auch nichts zur Sache tut. Denn diese „Sehstörung" ist zweifelsohne auf psychische Ursachen zurückzuführen.

 

Darum geht es in dem gleichnamigen Stück von Christina Masciotti, das Jens Kerbel jetzt zum Bonner Festival „Szene New York" inszeniert hat und das anschließend auch in der Werkstatt zu sehen sein wird. Susanne Bredehöft und Stefan Preiss agieren neben einem Mobile, das sich aus Drahtbügeln und den Fotografien menschlicher Augen zusammensetzt.

Doktor Hull empfiehlt seiner Patientin zur Entspannung klassische Miisik, während sie die Scheidung von dem Mann auszufechten hat, der längst Teil ihres Selbstverständnisses geworden war. Wobei die professionelle Fassade Hulls - eher Therapeut als Augenarzt - tatsächlich mehr und mehr Risse bekommt und den Blick freigibt auf eine weitere einsame Seele in der kalten Stadt.

 

Kerbel gelingt es auf beeindruckende Weise, die Balance zu halten; Mondo und Hull zu mögen, mit ihnen zu fühlen, ohne Pathos oder falsche Sentimentalität. Die ersten scheuen Annäherungen - und man wünscht den beiden ebenso wie sich selbst, dass mehr daraus wird. Weil Zuneigung manchmal einfach so entsteht. Eine mitunter verwirrende Erfahrung, die auch Anima und Christa in Sheila Callaghans Stück „Heillos" machen - einer von vielen sehenswerten Beiträgen des Festivals zum Thema Einsamkeit und wie man sie überwindet.

 

Von Ulrike Strauch

 

 

 

Campus-web, 08. Februar 2011

 

Zuerst schließen wir die Augen

 

Bühne: "Sehstörung" von Christina Masciotti fasziniert am 5. Februar im Theater Bonn

 

"Die Augen sind das Fenster zur Seele." Was passiert, wenn sie den Menschen im Stich lassen? Was erlebt ein Mensch, dessen Augen "verstummen"? Was verschweigen sie, was verstecken sie? Grundexistentielle Fragen wirft Christina Masciotti in ihrem Stück "Sehstörung" auf, das am letzten Samstag im Alten Malersaal in Bonn seine deutschsprachige Erstaufführung erlebte.

Zeit sich zu Entspannen, Leute!

Dass die Bedeutung unserer Augen in einer schieren Überlebensnotwendigkeit besteht, wird dem Zuschauer schon beim überfallartigen Einstieg ins Stück bewusst: Geblendet von einer grell aufgleißenden Lichtfontäne muss er sich in der hernach matt erscheinenden Bühnenbeleuchtung erst einmal neu orientieren, während Susanne Bredehöft und Stefan Preiss schon mitten in der ersten Sprechstunde des Augenarztes sitzen.

Es geht um Mondo, eine griechische Einwandererin in den USA, deren Augenlicht nachlässt. Skeptisch wendet sie sich an den ihr empfohlenen Dr. Hull, der die Sehstörung zwar diagnostiziert, jedoch zu Warten und Musiktherapie als Entspannung rät. Er vermutet hinter den Augenproblemen tiefergehende, psychische Ursachen. Und tatsächlich offenbart sich in Mondo ein viel größeres Problem als ihre Augen: Kurz zuvor hat sie ihr Mann verlassen, es tobt ein Scheidungskrieg, dem sie als griechische Immigrantin ohne Geld und genügend Sprachkenntnisse hilflos ausgeliefert ist. Der Teufelskreis verschlimmert die Krankheit, doch Dr. Hull gibt seinen "Fall" nicht auf

 

Die Augen reden mächtiger als die Lippen

Es macht Freude, zu sehen, wie eloquent Masciotti die einzelnen Spinnenfäden miteinander verbindet. Die private Verzweiflung im Kampf um ihr Recht, ihr Selbstwertgefühl, der Verlust von Hoffnungen und Träumen – all das bricht sich in bedrückenden Monologen Mondos immer wieder Bahn, während sie im Dialog versucht, unnahbar, unerschütterlich zu wirken. Und dennoch kann der Außenwelt ihr Inneres nicht Verborgen bleiben, ihre Augen verraten sie.

Die Sehstörung ist weniger Ursache, als vielmehr Nachwehe einer zerrüttenden Situation, der die Protagonistin schlichtweg nicht mehr gewachsen ist. Susanne Bredehöft erweist sich hier als die ideale Besetzung für eine Frau, die spricht, ohne das Richtige auszusprechen. Auf Fragen von Dr. Hull antwortet sie schnell, ehe sie eine überlegtere Antwort hinterherschiebt. In einem eindrucksvollen Wechselspiel aus hyänenartiger Kampfbereitschaft und erschöpfter Ohnmacht durchlebt der Zuschauer angestrengt ihren "Krankheitsverlauf" mit.

Masciottis Spiel mit den Worten, das in der deutschen Übersetzung freilich ein wenig seines originalen Charmes einbüßt, erhält durch Bredehöfts Interpretation Substanz und wirkt zeitweilig sogar bittersüß-komisch. "Ich weiß, dass ich meinen Stress reduzieren soll, doch es erhöht meinen Stress, zu wissen, dass ich meinen Stress reduzieren soll" – treffender lässt sich Verzweiflung nicht beschreiben.

Die Netzhaut regeniert sich

Die Entwicklung einer persönlichen Tragödie mit jener einer Sehstörung zu parallelisieren erweist sich als kleiner Geniestreich. Das mag auch daran liegen, dass die Autorin dieses Stück nach einer am eigenen Leib erlebten Augenoperation schrieb, was sich in der emotionalen Ausdruckskraft des Stückes niedergeschlagen hat.

Tatsächlich spiegeln die Augen die Seele wider: Je dunkler es in Mondo wird, desto dunkler wird auch die sichtbare Welt, in der sie sich befindet. Sie nimmt ihre Umwelt nurmehr gestört wahr, statisch, und findet sich nicht mehr zurecht. Erst als sie Augen schließt, und die Welt "erfühlt", findet sie in sie zurück. Und siehe da: mit dem "Loslassen" des Augenlichtes kehrt es allmählich zurück.

Loslassen können, sich entspannen – Dr.Hull scheint gar nicht so unrecht zu haben mit seinen Ratschlägen von Symphoniekonzerten und Klavierspielen. Manchmal muss man die Augen eben schließen, um weiter sehen zu können. Stefan Preiss gibt diese Weisheit mit erheiterndem Esprit als leicht neurotischer Psychiater und Arzt in einer Person weiter, der gleichwohl selbst mit seinem Leben hadert und Mondos Hilfe ebenso benötigt wie sie die seinige.

So ist "Sehstörung" letztlich nicht nur das Ende einer Geschichte, einer körperlichen Grundfunktion, sondern auch der Anfang von etwas Neuem, der Eröffnung "neuer Welten", wenn man so will. Ein Spagat zwischen Abgrund und Auferstehung, der fabelhaft gemeistert wurde. Anhaltender Applaus des Publikums spricht für sich.

 

Von Nadine Dannenberg

 

 

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Spectacular Girl

 

She’s got her life living in her heart

She’s got these eyes well where do I start?

Like looking at the deep night sky

So many worlds inside her eyes

 

She’s a spectacular girl

 

Part of the job of being a man

Is knowing when to let go of her hand

A kind of power it can’t be reined in

To hold her back would be a sin

 

She’s a spectacular girl

 

She sees the beauty in things we all miss

All good things are to find by the kiss

If you feeling like you can’t believe

Well then how do you explain the miracle I see

She’s a spectacular girl, spectacular girl

 

Not a desire and not a need

somethings just happen because they have to be

I’m gonna get there, I’m telling you sir

I’m a man on a mission and I’m all about her

 

She’s a spectacular girl, spectacular girl

 

Oh yeah

My love

 

(Eels)