Jens Kerbel

FOTOGALERIE | VIDEO

 

 

 

  Henrik Ibsen und Edvard Grieg

 

PEER GYNT

 

in einer Bearbeitung von Ekaterina Klewitz und Jens Kerbel

 

 

 Foto: Lilian Szokody

 

 

 

Märchenhaft, abenteuerlich, gesellschaftskritisch – Henrik Ibsens 1867 entstandenes dramatisches Gedicht in fünf Akten und die knapp zehn Jahre später dazu komponierte Bühnenmusik Edvard Griegs bilden die Grundlage für das neue Jugendopernprojekt am THEATER BONN. Die eigens für die jungen Bonner SängerInnen und MusikerInnen erstellte Fassung bietet viel Stoff für Reflektion über das „Ich“ im Zusammenleben mit anderen und ermöglicht die altersgemäße Beschäftigung mit klassischer Musik und einem klassischen Drama.

 
Peer, ein Außenseiter, der sich am liebsten seine eigene Welt zusammen phantasiert, verlässt seine Heimat, seine Mutter und Solvejg, das Mädchen, das ihn liebt, um in der weiten Welt sein Glück zu finden. Er gerät in abenteuerliche, mythische und exotische Gefilde, gewinnt und verliert Besitz und Macht und kehrt am Ende als alter Mann zu Solvejg zurück, zu spät erkennend: "Hier war mein Kaisertum!"

 

 

 

Musikalische Leitung: Ekaterina Klewitz

Inszenierung: Jens Kerbel

Bühne: Uta Heiseke

Kostüme: Mathilde Grebot

Choreographie: Lilith Gardell

Licht: Sirko Lamprecht

Dramaturgie: Michaela Angelopulos

Stückfassung: Ekaterina Klewitz und Jens Kerbel

 

Regieassistenz: Alina Plein

Ausstattungsassistenz: Florence Klotz

Kostümassistenz: Eloise Simonis / Jenny Ochlich

Inspizienz: Karsten Sandleben

 

  

Peer Gynt: Oliver Ewy / Andreas Theobald [Johannes Ipfelkover WA]

Der Knopfgießer: Sara Engels / Clara Heinz

Solveig: Amelie Conrad / Sophia Linden

Anitra: Kim Emde / Lina Hoffmann

Die Grüngekleidete: Janina Gasteier / Stella Kretschmer

Aase: Maria Honecker / Mailin Koecke

Ingrid: Helene Ortmann / Lisa-Marie Ritter

Erste Säterin: Alicia Janeczek / Carina Schwarzenberg

Zweite Säterin: Mara Jörgens / Alina Plein

Dritte Säterin: Melina Berka / Judith Hidalgo [Juliette Raue / Benasir Wapniarz WA]

Erster Hoftroll: Philipp Heinemann / Josefine Löschner

Zweiter Hoftroll: Leon Heimbürger / Melissa Reuter

Ein Dieb: Josef Bolten / Johannes Ipfelkofer

Ein Hehler: Balthasar Schlotmann / Julian Steiner

Der Dovre-Alte: Josef Bolten / Johannes Ipfelkofer

Schwester der Grüngekleideten: Alica Kemp / Oline Kuhlmann

 

Kinder - und Jugendchor des Theater Bonn, Orchester der Jungen Oper Bonn 

 

(Besetzung in alphabetischer Reihenfolge)

 

 

Premiere: 22. Juni 2012, Theater Bonn

  

 

       

   

  

Mit freundlicher Unterstützung der Opernfreunde Bonn, von MusiKi e.V. Bonn und der Musikschule Bonn    

 

 

     

 

 

 

 

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PRESSE:

 

Generalanzeiger, 25.06.2012

 

Bejubelte Premiere der Jugendoper "Peer Gynt" in Bonn

 

 

BONN. Beim Schälen der berühmten Zwiebel kommt Peer Gynt von selbst zu der Erkenntnis, dass ihm die Substanz fehlt: "Das hört ja nicht auf! Immer Schicht noch um Schicht! Kommt denn der Kern nun nicht endlich ans Licht?" Nein, kommt er nicht, auch nicht in der Jugendoper, die Ekaterina Klewitz und Jens Kerbel im Alten Malersaal auf die Bühne gebracht haben.

 

Der nordische Faust bleibt ein Nichtsnutz, den nur die unerschütterliche Liebe Solveigs davor retten kann, vom Todesengel Knopfgießer eingeschmolzen zu werden. Die Bonner Fassung folgt im großen und ganzen dem "Peer Gynt" von Henrik Ibsen; dazu kommt die gleichnamige Suite von Edvard Grieg, die, wenn überhaupt, als Bühnenmusik zum Drama heute nur noch ironisch zitiert wird.

 

Doch für den bunten Bilderbogen der Jugendoper ist sie genau richtig, zumal die musikalische Leiterin Ekaterina Klewitz die Griegschen Melodien gekonnt zu Gesangssoli und Chorstücken umarrangiert hat.

So stimmt sich der stimmstarke Kinder- und Jugendchor des Bonner Theaters singend auf die bevorstehende Hochzeit von Peers Verflossener Ingrid mit Mads Moen ein; er tobt als wilde Trollschar durch die Halle des Bergkönigs und becirct auf Geheiß der Beduinen-Prinzessin Anitra den liebestollen Peer mit anmutigen Schleiertänzen.

 

Regisseur Kerbel hat die vielen Fluchten und Irrfahrten des Titelhelden mit märchenhafter, teils surrealistischer Farbenpracht in Szene gesetzt; die variable Bühne von Uta Heiseke und die prachtvollen Kostüme von Mathilde Grebot sind ihm dabei eine große Hilfe.

 

Ibsens Sprache ist vereinfacht und dem Jugendidiom angepasst, um den Zuschauern die Identifikation mit Peers Sinn- und Selbstsuche zu erleichtern. Andreas Theobald spielt den Taugenichts mit entwaffnendem Charme und großer Intensität; seine Trauer auf der Bettkante der sterbenden Mutter Aase rührt zu Tränen.

 

Amelie Conrad ist Solveig und singt ihr Lied mit berückend schönem Mädchensopran; auch Mailin Koecke (Aase), Clara Heinz (Knopfgießer), Janina Gasteier (Trollprinzessin) und alle anderen Solisten machen ihre Sache ausgesprochen gut. Hinter einem transparenten Vorhang nimmt das ebenfalls nur mit Jugendlichen besetzte Orchester der Jungen Oper die Zuhörer schon mit den ersten Takten der "Morgenstimmung" gefangen und erweist sich als zuverlässiger Begleiter bis zum Ende.

Dann liegt der nach Hause zurückgekehrte Peer in Solveigs Armen und kommt endlich zur Ruhe. Anders als das Publikum, das alle Mitwirkenden noch lange feiert.

 

 

Von Gunild Lohmann

 

 

 

 

Bonner Rundschau, 25.06.2012

 

Besonders glückliche Ausgangsposition

 

Riesenbeifall für Jugendoper "Peer Gynt" - Inszeniert von und für junge Leute

 

BONN. Zuerst war Henrik Ibsens "Peer Gynt" als Langgedicht beabsichtigt, und nicht für die Bühne. Dann machte Edvard Grieg daraus ein dramatisches Gedicht mit Musik, bis die Theater das Schauspiel entdeckten, indem sie ihm die Musik strichen. Später gaben andere wiederum eine neue Musik in Auftrag, weil Grieg den großen Stoff nur beschönige. Irgendwann nahm sich auch Peter Stein der Sache an - kurz, die Freiheit, damit zu machen, was einer gerne hätte war unbegrenzt.

 

Doch jetzt haben wir eine Aufführung gesehen, für die sich ein Schauspielregisseur, Jens Kerbel, und eine Musikerin, Ekaterina Klewitz, beide vom Theater Bonn, zusammentaten für eine "Jugendoper", die uns rundherum entzückte. Jugendoper hieß dabei, dass man sich um all die Bedenklichkeiten keinen Deut scheren wollte. Die Ausgangsposition war aber auch deshalb so glücklich, weil beide "Peer Gynt" nicht nur für junge Leute inszenierten (natürlich auch), sondern vorallem mit jungen Leuten.

 

Den Beginn lassen alle stehen. "Peer du lügst", schillt die liebe Mutter Aase mit ihrem Sohn, der versucht, mit nichts als Angabe und Lügengeschichten, durch die Welt zu kommen. Ein 20-jähriger Lümmel, der auf einer Hochzeit die Braut Ingrid in weißer Spitze entführt und ihr ein Kind macht, was ihn aber nur wenig schert, er macht sich auf und davon, übers Gebirge und die Nordsee, bis nach Afrika. In Prosa kennen die Meisten Peers Geschichte. Solveig, die er eigentlich mag, verlässt er für Anitra.

 

Für die norwegischen Szenen mobilisiert Kerbel in den gewitzten Kostümen von Mathilde Grebot seinen szenischen Blick. Die Volksszenen mischt er durcheinander, dass sich auch das Singen so gemischt anhört, wir glauben jedenfalls, dass es Absicht war, es wirkte enorm lebendig. Klewitz hatte ihren großen Jugendchor gut einstudiert, und Kerbel zeigte sich beglückt, damit in "Peer Gynt" jede Rolle besetzen zu können. Auch musikalisch konnte man mit allen sehr schön arbeiten. Ebenso mit dem Jugenorchester der Oper. Arrangiert hat die Dirigentin sehr schön.

 

Die Ensembles, Anitras Gespielinnen - wir waren ganz weg. Unter den Solistinnen waren vermutlich "studierte", Musikschule oder Vorsemester, sie hatten durchweg bereits gut ausgebildete Stimmen, wir nennen stellvertretend Amelie Conrad als Solveig, Janina Gasteier, Lina Hoffmann: die Jungen - Andreas Theobald als Peer, er stirbt in Solveigs Schoß - wurden von Kerbel prima geführt, das Bühnenbild - Kisten, in die das Leben passt (Kerbel) - stammte von Uta Heiseke. Unglaublicher Beifall. 

 

Von H.D. Terschüren

 

 

Kultur - Das Magazin, Oktober 2012

 

Lebensreise eines Träumers

 

Peer Gynt nach Henrik Ibsen/Edvard Grieg im Alten Malersaal (Halle Beuel)

 

Henrik Ibsens 1876 mit der Bühnenmusik seines norwegischen Landsmanns Edvard Grieg uraufgeführtes Drama hat mit dem psychologischen Realismus seiner späteren Stücke wenig zu tun. In der neuen Fassung des Regisseurs Jens Kerbel und der musikalischen Leiterin Ekaterina Klewitz hat es jedoch viel zu tun mit jugendlichem Aufbegehren gegen verkrustete Strukturen und der Angst vor einer unübersichtlichen Zukunft.

 

Im Alten Malersaal geht Peer Gynt (Andreas Theobald/Oliver Ewy) buchstäblich die Wände hoch, wenn seine Mutter Aase (Mailin Koecke/Maria Honecker) mal wieder über seine Hirngespinste jammert. Dabei könnte der Bursche durch eine Heirat mit der reichen Ingrid (Lisa-Marie Ritter/Helene Ortmann) den maroden Bauernhof retten. Leider ist die jetzt vergeben. Bei der feucht-fröhlichen Hochzeitsparty entführt Peer dem ziemlich blöden Mads (Balthasar Schlotmann/Simon Webb) zwar die Braut. Aber nur, um sie schmälich sitzen zu lassen. Er hat nämlich das bezaubernde fremde Mädchen Solveig (Amelie Konrad/Sophia Linden) gesehen und gehört. Und Solveigs Lied gehört wirklich zum schönsten, was je in Skandinavien komponiert wurde.

 

Die Erinnerung an das Engelhafte Wesen wird ihn begleiten, wenn er vogelfrei seine Heimat verlässt. Bedrohlich lauert allerdings überall der todesengel-schwarze Knopfgießer (Clara Heinz/Sara Engels), der Peer mit seinem Schmelzlöffel zu einem nützlichen Geschöpf machen möchte. Den verführerischen Bergschönheiten entgeht Peer ebenso wie den wüsten Trollen. Zutiefst berührend ist die letzte Begegnung mit seiner sterbenden Mutter, die durch seine Schuld ins Elend geriet, aber dem unverbesserlichen Kindskopf alles verzeiht.

 

Der Träumer Peer will hoch hinaus, wird durch Zufall steinreich, spielt den Königssohn und Propheten, wird von der arabischen Prinzessin Anitra (Lina Hoffmann/Kim Emde) um den Finger gewickelt und um sein Geld gebracht und landet im Irrenhaus. Ruhe findet er schließlich bei Solveig, die treu gewartet hat auf den alt gewordenen Nichtsnutz, der endlich begreift, wer er ist und wo er hingehört.

 

Auf der fast leeren Black-Box-Bühne von Uta Heiseke wird die Stationen Geschichte sehr klar erzählt. Eine Augenweide sind die fantastischen Kostüme von Mathilde Grebot, die selbst aus Plastiktüten noch rauschende Troll-Ballerinenröcke gezaubert hat. Ein Sonderlob verdient die Maske unter der Leitung von Heike Beuke.

 

Wie perfekt all die vielen Solistinnen und Solisten ihre anspruchsvollen Gesangspartien beherrschen, grenzt an ein Wunder. Ekaterina Klewitz hat als Dirigentin nicht nur diese immer musikalisch im Griff, sondern auch den Kinder- und Jugendchor und das Orchester der Jungen Oper Bonn. Alle musizieren animiert, als ob's ums Leben ginge. Was ja auch stimmt: Von der schweren Kunst, sich selbst lebendig neu zu (er)finden, handelt ihr Stück. Und Jens Kerbels professionelle Inszenierung mit dem Opernnachwuchs-Ensemble kann sich getrost messen lassen mit prominenteren Aufführungen.

Alle Vorstellungen vor der Sommerpause waren restlos ausverkauft. Die Gefahr, dass es auch bei der Wiederaufnahme keine Karten mehr gibt, ist groß.

 

Von Elisabeth-Einecke Klövekorn

 

 

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Peer, du lügst! 

 

 

von Michaela Angelopulos

 

Seiner Mutter reicht es gewaltig. Peer ist ein Träumer, der sich mit   Lügengeschichten dem grauen Alltag entzieht und als Außenseiter  mehr in seiner zusammen phantasierten Welt lebt, anstatt zuhause seiner Mutter zu helfen. Er könnte den durch den Vater verkommenen Hof retten, wenn er Ingrid, die Tochter des wohlhabenden Haegstadtbauern, heiraten würde. Aber auch das hat er versäumt. Die Hochzeit Ingrids mit dem schwächlichen Mads Moen steht unmittelbar bevor. Bei der Hochzeitsfeier Ingrids findet Peer als ungebetener Gast nicht viel Gegenliebe. Aus Rache entführt er die Braut, lässt sie aber schon bald wieder sitzen, da er immer nur an  Solveig denken muss, die ihn während der Feier bezauberte. Von nun an ist Peer auf der Flucht. Zurück nach Hause kann er nicht gehen, denn nun ist ihm die wütende Haegstadtsippe auf den Fersen. So verlässt Peer seine Heimat und verliert sich in der weiten Welt, um sein Glück zu finden. Eine unheimliche Bekanntschaft weicht ihm dabei nicht mehr von der Seite …

 

Bezeichnend für den skandinavischen Raum im 19. Jahrhundert ist eine kulturepochale Entwicklung, die als Periode der „Nationalromantik“ alle skandinavischen Staaten gleichermaßen erfasst. Im Vordergrund steht die Rückbesinnung auf die eigene Geschichte, auf die Ursprünge des eigenen Volkes. Auch in Norwegen erwacht ein starkes nationales Selbstbewusstsein, das sich auch im Bereich der Künste niederschlägt; die Sammlung der eigenen Mythen, Balladen und Helden findet verstärkt Eingang in die zeitgenössische Malerei, Dichtung und Komposition. Der Dichter Henrik Ibsen (1828-1906) und der Komponist Edvard Grieg (1843-1907) gelten in diesem Zusammenhang als die wichtigsten Vertreter Norwegens.

Aus Schichten volkstümlicher Überlieferung entnimmt Henrik Ibsen auch den Stoff für sein 1867 entstandenes dramatisches Gedicht PEER GYNT, das er zunächst als Versgedicht verfasst. Das Vorbild für die sich zwischen Phantasie und Wirklichkeit bewegende Gestalt Peer Gynts ist der Bauer, Jäger und Träumer „Per på Hågå“. Noch bevor Mitte des 19. Jahrhunderts dessen Epos in den von Asbjørnsen und Moe gesammelten norwegischen Sagen und Märchen veröffentlicht wird, gehört „Per på Hågå“ bereits zu den namhaften Existenzen des norwegischen Kulturkreises.

 

„Denn man steht nie ganz ohne Mitverantwortung und Mitverpflichtung in der Gesellschaft, der man angehört“ – Henrik Ibsen, 16. Juni 1880

 

Henrik Ibsens PEER GYNT, ursprünglich aus der Absicht entstanden seine Landsleute zu kritisieren, reift zu einem allgemeinen Menschheitsgedicht. Was macht das Individuelle, das Ich aus? Was ist das Kennzeichnende, das mich von allen anderen Menschen unterscheidet? Und wie kann ich im Erkennen meines Wesens zu mir selbst und damit zu meiner Lebensaufgabe finden? Existentielle Fragen vermengt mit zahlreichen Motiven aus alten nordischen Volksmärchen bestimmen die fast schon neuzeitlich anmutende Dichtung, die auch der „nordische Faust“ genannt wird. Als sich Henrik Ibsen 1874 dazu entschließt, sein Versepos zu einem Schauspiel umzuarbeiten, bittet er seinen angesehenen Zeitgenossen Edvard Grieg, die Bühnenmusik zu schreiben. Wie sehr Edvard Grieg – auch nach einem langwierigen Kompositionsprozess – vom großen pädagogischen Potential des Stücks überzeugt ist, verdeutlicht ein Schreiben, das er vor der Uraufführung an den norwegischen Dichter Bjørnstjerne Bjørnson richtet: „Die Aufführung von Peer Gynt kann gerade jetzt in Oslo Positives bewirken, wo der Materialismus versucht hochzukommen und alles zu ersticken droht, was wir als hochstehend und heilig betrachten. Wir bedürfen, glaube ich, eines weiteren Spiegels, in dem all’ der Egoismus zu sehen ist, und solch ein Spiegel ist Peer Gynt … die Menschen müssen ihre eigene Hässlichkeit sehen.“