General-Anzeiger, 01.02.2010
Quelle-Revue in der Werkstatt lässt keine Wünsche offen
Stück von Jens Kerbel und Michael Barfuß - Der Kamm, der Ihre Haare färbt
Das Neueste von Quelle: Die EU wird dem Versandhaus Otto wohl die Nutzung der Marke Quelle untersagen. Damit könnte sie endgültig verschwinden. Otto hatte sich im November 2009 die Markenrechte aus dem Fürther Nachlass gesichert.
Jetzt geht es um eine mögliche marktbeherrschende Stellung des Otto-Konzerns. "Tausend Wünsche - Eine Quelle oder: Der Pfennig ist die Seele der Milliarde" von Jens Kerbel und Michael Barfuß endet in der Werkstatt mit einem elegischen Abgesang auf das Unternehmen Quelle. Kerbel (Regie) und Barfuß (musikalische Leitung) haben eine Revue geschaffen, die keine Wünsche offenlässt.
Sie haben alles: Witz und Gefühl, Schlager und Gesang, vergangenheitswiederbelebende Projektionen und drastische szenische Effekte. Aber auch Feingefühl, Sinn für ökonomische Realitäten und menschliche Schicksale. Vor allem haben sie Susanne Bredehöft, Anke Zillich, Günter Alt und Marcus Schinkel als den Mann an den Instrumenten.
Ansgar Baradoy (Bühne) vermittelt allein mit einer Kartonwand das Thema Versand-Unternehmen. Ein altes Phonoteil steht auch im Raum, natürlich Marke Universum. Zu Beginn erklingt ein knarziger Wochenschau-Ton: "Sei helle und bestelle gleich den Katalog von Quelle." Dass der ein bedeutendes Werk der (unfreiwilligen) Komik war, beweisen die drei Darsteller im geschmackspolizeilich verdächtigen Siebziger-Jahre-Look (Kostüme: Mathilde Grebot).
Ihre Reminiszenz an Dinge wie Elasti (für Mieder), Lauras Orient-Look und, ganz toll, den "Kamm, der Ihre Haare färbt" ist herrlich schräg. Das kleine Quelle-Musical reist danach durch die Jahrzehnte, in Bild und Ton. Das Unternehmen Quelle und seine oft skurrilen Slogans werden zum Gegenstand belustigt-nostalgischer Betrachtung. Man lernt, dass Quelle auch für die Intimsphäre der Nation Angebote im Sortiment hatte.
Kultur, Wirtschafts- und Sozialgeschichte spiegeln auch die vielen von den Schauspielern gesungenen Songs des Abends. "Rum And Coca-Cola" von den Andrews Sisters gibt es in einer schönen Fassung zu hören. Dazu France Gall und Paolo Conte sowie, krönender und dröhnender Abschluss, "Quelle-Katalog" von der hannoverschen Band Abfluss. Da wird es punkig auf der Bühne, politisch unkorrekt und superlaut.
Quelle wollte Wünsche erfüllen und Sehnsüchte bedienen. Immer wieder macht sich die Inszenierung dieses Thema zu eigen, entdeckt persönliche Schicksale hinter der bunten Revue. Susanne Bredehöft kann so etwas singend ausdrücken, Herbert Grönemeyers "Ich hab' Dich bloß geliebt" verwandelt sie in eine berührende Seufzer-Ballade. Pop kann manchmal sehr profund sein.
Von Dietmar Kanthak
Campus-Web, 31. Januar 2010
„Tausend Wünsche – eine Quelle“ feiert umjubelte Premiere in der Werkstatt
Wer erinnert sich nicht an die einprägsamen Werbeslogans des Versandhauses Quelle? Seit dem 5. November 2009 ist das deutsche Traditionsunternehmen insolvent. Mit dem Untergang des Versandhandels verschwand auch eine der populärsten Lektüren aus unserem Alltag – der Quellekatalog.
Zeit, ihm eine eigene Hommage zu widmen. Diese Aufgabe hat das Theater Bonn übernommen und das Stück „Tausend Wünsche – eine Quelle. Oder: Der Pfennig ist die Seele der Milliarde“ inszeniert. Am Samstag, den 30. Januar, fand die Premiere in der Werkstatt statt.
Die Werkstattbühne wurde in eine Mischung aus Versandlager und Wohnzimmer verwandelt, überall türmen sich Kartonwände auf, davor stehen Möbel aus Zeiten des Wirtschaftswunders und 70er-Jahre-Schick. Auf eine Kartonwand wird ein alter Werbespott von Quelle projiziert, der Sprecher aus dem Off preist in geblümten Reimen das Versandhaus Quelle an.
Und dann erscheinen sie: Susanne Bredehöft, Anke Zillich und Günther Alt. In besten 70er-Jahre-Outfits der Bürgerschicht, klischeehafte Quelle-Mitarbeiter, ein gemütlicher Vorgesetzter und seine zwei Sekretärinnen. In den nächsten sechzig Minuten werden sie die Geschichte des Quelle-Katalogs Revue passieren lassen – und zwar wortwörtlich mit einer „Revue“.
Das bedeutet: Gesang und Werbeslogans. Und zwar non-stop. Regisseur Jens Kerbel hat in den Tiefen des Quelle-Archivs gewühlt und skurril-amüsante Anpreisungen zusammengetragen, die von den drei Mitarbeitern pflichtgetreu und Robotern gleich aufgesagt werden. Und auch in der deutschen Musiklandschaft hat Kerbel gesucht und prägnante Songs aus den letzten Jahrzehnten gefunden. Hauptsache, es ließ sich irgendwie mit dem Quelle-Katalog assoziieren, und da gab es ja immer einiges zu sehen.
Da waren strahlende Modefotos, die Dinge wie die „Gammel-Bluse“ oder „Supra-Elasti“, das Mieder für die starke Frau, anpriesen, getreu dem vorgetragenen Motto: „Bei mir bist Du schein…“.
Doch da ertönt die Radioansage: „Es sieht schlecht aus für Quelle!“ und das Schicksal nimmt seinen Lauf. In die Euphorie der Akteure mischt sich die erste Melancholie, doch man bewahrt Haltung und erinnert tapfer weiter an alte Produkte, egal wie grotesk sie auch gewesen sein mochten.
Quelle Reise, Quelle Fertighaus, Quelle Küche, Quelle international – ab den 60er Jahren ist der Siegeszug des Versandhauses nicht mehr aufzuhalten. Susanne Bredehöft weiß: „Ich bau mir ein Haus auf einer Insel“, alle drei schwärmen von „Rum and Coca Cola“ in Old Trinidad und wissen „Heute nacht oder nie“ werden auch die Produkte der Erotik-Seiten noch ihren Sinn und Zweck erfüllen.
Anke Zillich frönt gerade den ansehnlichen Bildern gut gefüllter Kühlschränke und rät ermutigend „Schüttel Dein Speck“, da erscheint ein Nachrichten-Ausschnitt aus dem Sommer 2009. Quelle ist nicht mehr zu retten, die Insolvenz steht unmittelbar bevor.
„Räume Räume“ – es wird Zeit, zusammenzupacken. Da wird es erst recht Zeit, sich an Erfahrungen mit dem Quelle-Katalog zu erinnern und die konnten je nach Persönlichkeit unterschiedlich ausfallen: „Ich hab Dich bloß geliebt“ weiß Günther Alt zu berichten. Alle drei erinnern headbangend an den Mann, der mit dem „Quelle Katalog“ seine Freundin totschlug.
Auch das Publikum tat sich an jenem Abend schwer mit dem Abschied. Tosender Applaus belohnte die herausragende Leistung des Ensembles. Von der ersten bis zur letzten Minuten präsentieren die drei Akteure Zillich, Bredehöft und Alt ein Sänger-Trio sondergleichen, die den alten Swing-Hits der Andrew-Sisters zu neuem Glanz verhelfen und Deutsch-Punk und -Rock salonfähig machen.
Marcus Schinkel unterstützte sie dabei in einer One-Man-Show nicht nur mit Klavierbegleitung, sondern wahlweise auch mit zwei Instrumenten gleichzeitig oder einem niederländischen Kommentar.
Quelle ist Geschichte, der Katalog auch. Eines der erfolgreichsten Unternehmen Deutschlands ist 2009 untergangen. Das verlangt einfach eine anständige Hommage. Jens Kerbel hat eine solche geschaffen, und das Schauspiel-Trio macht daraus ein Spektakel, das Tränen in die Augen treibt – eine bittere für das Vergangene und eine überanstrengte ob des vielen Lachens.
Von Nadine Dannenberg
Kölnische Rundschau, 01.02.2010
Quelle-Musical in Bonn - Elastik für Üppige
Eine Inszenierung wie aus dem Katalog - und zwar wortwörtlich, denn Jens Kerbel hat in Bonn den "Quelle"-Katalog als Zeitzeugnis auf die Bühne gebracht. Heraus kam dabei ein buntes, modernes und fabelhaftes Musical, das es in sich hat.
Das Theater tanzt. Nichts geht über eine lustige Leich’, sagten früher die Landleute und brachten ihre Altvorderen mit Musi und Gaudi unter die Erde. In der Werkstatt lag das Ableben am Premierensamstag schon ein Stück zurück. Nur das Vergnügen musste das Schauspiel nachliefern. Das tat es - vermutlich hätten sogar die paar Tausend, die durch die „Quelle“-Insolvenz 2009 in den Computern der Fürther Arbeitsvermittlung beerdigt wurden, einen Abend lang was zu lachen.
Bonn brachte die Quelle also noch mal zum Sprudeln. Es war wirklich sehr komisch. Der Titel des fabelhaften kleinen Musicals lautet „Tausend Wünsche - eine Quelle“, Untertitel „Der Pfennig ist die Seele der Milliarde“, der Autor hieß „Quelle“-Katalog, fraglos ein Zeitzeuge. Jens Kerbel hat den Katalog inszeniert und Michael Barfuß die drei Darsteller Susanne Bredehöft, Anke Zillich, Günter Alt mit Musik versorgt. Alles, was die leichte Muse damals so hergab.
Den Katalog als Wirtschaftswundertheatertext entdeckt hatte Intendant Klaus Weise und seinen Leuten anempfohlen. Er kennt sein Haus, das für so etwas eben auch die speziellen Leute hat. Man amüsierte sich, Henkels „Eisenwichser“ oder die soziale Frage kaum noch im Hinterkopf.
Der „Wunderbrunnen“ - ein Springbrunnen für den Couchtisch - sprinkelt auch wirklich. Aber nicht der Verkauf, sondern die Wut eskaliert. Der Trick dabei besteht darin, dass Kerbel zwar die originalen Werbesprüche sammelt (ein Unterhaltungswert an sich), sie aber in Sketchen köstlich überspitzt.
Im Mieder-Kapitel hat Anke Zillich eine überwältigende Nummer. Beim Zauberwort „Elastik“ verschlägt es ihr die Stimme, und die Steigerung „Supra-Elastik für die Üppige“ sprengt nicht nur den Katalog.
Allerdings ist nicht alles von „Quelle“ (einst das größte Versandhaus), was da herumsteht. Die erotische Anschauung für den Halbwüchsigen gehört wohl eher in eine anderen Versandhauskatalog. Nur Ansgar Baradoys Pappkartons auf der Bühne, ganz offenbar auch nicht für die Ewigkeit gedacht, passen zu allen. Ans Metaphysische eines „Quelle“-Kataloges aber rührte Susanne Bredehöft in ihrem grandiosen Solo nach der Weise von Aznavours „Du lässt dich gehen“, wenn sie sich (fiktiv) durch den Katalog wühlt auf der Suche nach dem Leben, das sie auf den Seiten vermutet und nicht findet. Ganz große Tragik, wundervoll. Am Rande: Das sicher nicht aktuelle Kostüm nach „Quelle“-Schnitt stand ihr.
Dann das komisch-elegante Schwergewicht Günter Alt - als tänzelt er auf der Spitze. Von seinem Mädchen singt er hinreißend im Stil der 20er, vom Chorus der Damen begleitet. Überhaupt ist Barfuß Musikeinrichtung mit Marcus Schinkel an der E-Orgel ein absoluter Aktivposten. Aber auch Kerbel - der Katalog ist für ihn offenbar ein kleines Universum - lässt das Politische nicht außen vor. Seehofer stottert ins Mikro und labert von Chance, dass es sich wie Sch... anhört. Aber das „Aus“ für die Firma ist einem alten „Quelle“-Musikschrank anvertraut.
Von H.D. Terschüren
WDR 3 - Mosaik, 02. Februar 2010
TAUSEND WÜNSCHE – EINE QUELLE oder: Der Pfennig ist die Seele der Milliarde
(O-Ton Susanne Bredehöft)
In taubenblauem Hosenanzug, Bob-Frisur und Pumps präsentiert eine Quelle-Verkaufsvertreterin einen kleinen Springbrunnen. Susanne Bredehöft spielt die dauerlächelnde Dame, die versucht, mit schönsten Verheißungen das Produkt an den kleinen Mann zu bringen. Mit einem Wunderbrunnen im Vorgarten würden die Leute sagen: „In der Garage steht wahrscheinlich ein Rolls Royce“. Mit einem Wunderbrunnen im Schlafzimmer, werde man von Champagner und Kaviar träumen. Eine zufriedene Kundin kann auch hervorgezaubert werden: Anke Zillich mimt die Hausfrau, deren Leben sich durch den Wunderquell verändert hat.
(O-Ton Anke Zillich)
Um die Installation braucht man sich auch keine Sorgen zu machen: Günter Alt schlüpft in die Rolle des vertrauenserweckenden Quelle-Service-Mitarbeiters in weißem Verkaufsmantel.
(O-Ton Günter Alt)
Der Wunderbrunnen: Eines von zahlreichen Produkten, die die drei Schauspieler des THEATER BONN in dem Stück TAUSEND WÜNSCHE – EINE QUELLE anzitieren. Auf einer Bühne, die eine Mischung aus Wohnzimmer und Lagerhalle darstellt, blättern sie in Quelle-Katalogen aus verschiedenen Jahrzehnten und finden Kurioses: Herrenkavaliersocken, Babsi, die zeitlose Bluse, Kucki, den kichernden Couch-Käfer oder einen Brezel- und Salzlettenboy aus schwarzem Draht. Nostalgisch tauchen die Darsteller in die Quelle-Konsumwelt ein, die 1928 mit Firmengründer Gustav Schickedanz ihren Anfang nahm und 2009 zu Ende ging. Ein Stück verlorengegangener Zeitgeschichte, die die Lebenswelt vieler Menschen prägte. Nicht umsonst fand der Quelle-Katalog schließlich 9 Millionen Leser. Regisseur Jens Kerbel:
„Für viele Leute war der Quelle-Katalog die Möglichkeit in eine Art Mittelschicht zu kommen. Das war ja auch die Idee von Gustav Schickedanz, besonders für die unteren Schichten Waren zu günstigen Preisen anzubieten. „Qualität zu günstigen Preisen“, wie es immer so schön hieß, damit wurde natürlich vielen Leuten die Möglichkeit gegeben ihren Lebensstandard zu verbessern. Das war in den frühen Jahren so und das ist natürlich ein interessanter Aspekt, insofern auch die Frage, wie hat Quelle vielleicht den Lebensstil geprägt oder Sehnsüchte, Wünsche und Hoffnungen erfüllt.“
So zum Beispiel das Quelle-Haus, das mit einem Werbespot angepriesen wird:
(O-Ton Werbespot)
Passend dazu singt Susanne Bredehöft Katja Ebsteins Schlager „Ich bau mir ein Haus auf einer Insel“, am Keyboard begleitet von Marcus Schinkel.
(O-Ton Susanne Bredehöft)
Doch war das Quelle-Haus letztendlich nicht für alle erschwinglich; oft blieb dem kleinen Mann nicht mehr als die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Allerdings holte man sich Ersatzprodukte ins Haus, so wurde die ferne Karibikreise etwa ersetzt durch die Höhensonne, Gesichtsbräune oder den Swimmingpool. All diese Produkte werden im Stück auch auf die Leinwand projeziert. Im Laufe des Stückes bricht jedoch zunehmend die harte Realität der Insolvenz in die schöne alte Welt der Sehnsüchte und Träume ein. Regisseur Jens Kerbel erreicht dies mit effektvollen Nachrichteneinspielungen:
(O-Ton Nachrichtensprecher)
Mit viel Einfühlungsvermögen aber auch Ironie, führen die Darsteller in eine bunte Quelle-Welt aus den 60er-, 70er- oder auch 80er-Jahren hinein. Die Figuren könnten dabei aus einem Katalog sein, Mitarbeiter oder Kunden, die Lieder von den Comedian Harmonists bis Peter Fox singend, Werbetexte rezitierend, die von einer vergangenen Welt erzählen. Durch dieses Bühnen- und Rollenkonzept schafft Jens Kerbel zusammen mit dem musikalischen Leiter Michael Barfuß eine Verbindung zwischen schöner Vergangenheit und trister Gegenwart, die auch die Figuren einholt und bedrückt, aber auch frustriert zurücklässt.
Ein Beitrag von Thomas Frank
kultur – Das Magazin, März 2010
Freche Revue des Konsumismus: Tausend Wünsche, Eine Quelle in der Werkstatt
Der Gebrauchswert des „Wunderquells” (eine Art Zimmerspringbrunnen) war so begrenzt wie der von niedlichen Salzstangenhaltern oder skurrilen Automaskottchen, die beim Bremsen ihre Haare sträubten. Aber mit Quelle war man helle, was wenigstens ein anständiger Endreim ist und nicht nur eine platte Alliteration wie geiler Geiz. Und wenn man sich was wünschen durfte, bestellte man’s bei Quelle, wo es vom strammen Hüfthalter bis zum letzten Sofaschrei einfach alles gab, was man zumeist nicht begehrte, aber haben wollte, weil’s im Katalog stand. Dieses Kilo schwere Ding war die Bibel der Warenwelt und wird demnächst wahrscheinlich ein Antiquariatsrenner.
Der Pfennig ist die Seele der Milliarde lautet der Untertitel der musikalischen Revue Tausend Wünsche – eine Quelle von Jens Kerbel (Regie) und Michael Barfuß (musikalische Leitung) in der Werkstatt. Klar: Der Pfennig hat sich aus dem aktiven Wortschatz verabschiedet, und Milliarden von Euros und Dollars haben sich unselig in Luft aufgelöst. Das größte Versandhaus Europas wurde nach 82 Jahren insolvent und damit Geschichte wie die wahren Wünsche von Generationen. Auf Tausenden von Seiten, die nie ein Literaturkritiker zur Kenntnis nahm, wurden lyrische Fantasien zur Ware, ganze Romane zur Wirklichkeit und Familiendramen in tragischer Echtzeit gespielt, wenn im Quelle-Paket die Bluse ankam, die auf dem Foto ganz anders aussah: Qualität zu günstigen Preisen mit Traumgarantie und Rückgaberecht bei Nichtgefallen.
Wünsche gibt es trotzdem immer wieder, und bei „Rum and Coca-Cola” stand das Cabrio fast schon vor dem Quelle-Fertighaus in der Karibik zwischen Oberhausen und Fürth: „Ich bau mir ein Haus auf einer Insel”… Susanne Bredehöft (goldblond), Anke Zillich (weißblond) und Günter Alt (rotblond) singen die unverwüstlichen Schlager der guten alten Quelle-Zeit einfach hinreißend. Bredehöft im damenhaften, hellen Hosenanzug (Kostüme: Mathilde Grebot) ist das personifizierte dauerlächelnde Management. Zillich im eleganten kleinen Dunkelroten mit Brille könnte mit ihrem „Schüttel Dein’ Speck” ganze Magazine von Korsetts aus der Fassung bringen. Alt ist ohnehin eine Nummer für sich und könnte zu „Ich hab dich bloß geliebt” mit dem Katalog unterm Arm zum Amokläufer werden. Genial begleitet wird das gnadenlos komische Schauspieler/Sänger-Trio von Markus Schinkel in einem roten Anzug, der jeder Beschreibung spottet.
Dass die Quelle diskret auch tiefere Regionen des menschlichen Daseins versorgte (Videos: Lars Figge) müsste nicht ganz so breit illustriert werden, tut aber dem liebevoll ironischen Blick ins bundesdeutsche Kleinbürgerleben keinen Abbruch. Die vom bayrischen Landesvater beschworenen Chancen der Abwicklung von mehreren tausend Arbeitsplätzen klingen im eingespielten O-Ton irgendwie nach „Sch…”, und was reimt sich schon auf Arcandor oder Primodo? Auf Otto zumindest Lotto. Was aber völlig egal ist angesichts dieses politisch völlig unkorrekten, bissig vergnüglichen kleinen Musicals.
Von Elisabeth Einecke-Klövekorn
Generalanzeiger, 28.01.2010 (Vorbericht)
Musiktheater-Stück "Tausend Wünsche" feiert in der Werkstatt Premiere
Der Pfennig ist die Seele der Milliarde
Bonn. Erst mal sehen, was Quelle hat". So lautete der wohl berühmteste Werbeslogan des Versandhandels. Mit Quelle wurde alles anders. Zwar enthielt der "Führer durch die Sorgen des täglichen Lebens", die "Fundgrube für die ganze Familie", wie Gustav Schickedanz seinen ersten Katalog 1928 nannte, vor allem Wäsche, Strickmode und Körperpflegeprodukte.
Doch wuchs die Produktpalette stetig. Im Laufe der Jahrzehnte befriedigte der Bestseller des Fürther Hauses mehr als tausend Wünsche. 2009 wurde das Traditions-Unternehmen abgewickelt, die Fürther Konsum-Quelle hörte auf zu sprudeln. Wenn nicht das Theater wäre. "Die Menschen von Primondo und Quelle" ist der Titel eines Abends von und für ehemalige Mitarbeiter der Firma Primondo/Quelle am 1. Februar im Stadttheater Fürth.
In Bonn wird Quelle auch Thema sein. Am Samstag, 30. Januar, hat das Stück "Tausend Wünsche - Eine Quelle oder Der Pfennig ist die Seele der Milliarde" in der Werkstatt Premiere. Der Regisseur Jens Kerbel und Michael Barfuß, musikalischer Leiter des Theaters, haben eine Idee ihres Intendanten Klaus Weise aufgenommen. Er hatte ein Stück über Quelle in der Werkstatt angeregt.
"Es gab die Idee, aber es gab kein Stück", erzählt Barfuß. Mit Jens Kerbel hat er einen rund einstündigen Theaterabend mit Livemusik erarbeitet. Susanne Bredehöft, Anke Zillich und Günter Alt spielen und singen, Marcus Schinkel bedient die Instrumente. Kerbel ist eigens nach Fürth gefahren, hat sich dort umgesehen und "eine ganze Batterie alter Quelle-Kataloge gesichert". Sie sollten eigentlich in den Müll.
Kerbel und Barfuß standen vor der Aufgabe, Kataloge in Kunst zu verwandeln. Wenn der Abend auch nur annähernd soviel Temperament besitzt, wie die Macher im Café-Gespräch offenbaren, darf man sich auf ein kurzweiliges Theater-Erlebnis freuen. Ein kleines Musical versprechen die beiden, ein unterhaltsames Stück Zeit-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, begleitet von Songs wie "Irgendwo auf der Welt" (Comedian Harmonists) und "Quelle-Katalog" (die hannoversche Band Abfluss).
Hoffnungen und Sehnsüchte, die Quelle weckte und verwirklichen half, sollen die Lieder des Abends widerspiegeln. Sinnlich, nostalgisch und leicht soll es werden, aber nicht trivial. Schließlich bedeutete das Ende von Quelle den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. Kerbel, Jahrgang 1975, hat keine eigene Geschichte mit Quelle. Aber er hat Kataloge gewälzt und sich inspirieren lassen.
"Was will man erzählen?" - diese Frage hat die Erfinder der "Tausend Wünsche" lange beschäftigt. Und so verwundert es nicht, dass Kerbel und Barfuß das Wort "erzählen" gefühlte tausend Mal im Gespräch benutzen. Sie mögen gedanklich im Katalog blättern, von der All-Umfassenheit des Sortiments schwärmen ("alles, bis auf Särge"), über die fast schon erotische Qualität des Versandgeschäfts räsonieren ("welche Sehnsucht, welches Begehren"), am Ende kommen sie doch wieder aufs Erzählen zurück.
Bitteschön, in welchem Rahmen bewegt sich die Geschichte? Die von Bredehöft, Zillich und Alt dargestellten Figuren stammen aus der Gegenwart, erläutern Kerbel und Barfuß. Exakt aus der Zeit, als Quelle dem Ende entgegentaumelte. Barfuß, der für den Sound des Bonner Theaters zuständig ist, hat spezifische Arrangements für seine Sänger geschaffen: für einen hoch singenden Herrn und zwei tiefe Damenstimmen. Die Musik übernehme an diesem Abend die erzählerische Hauptrolle. Sie schlage auf ganz eigene Weise den Quelle-Katalog noch einmal auf.
Von Dietmar Kanthak
__________________________________________________________________________________________