FOTOGALERIE | VIDEO
Aki Kaurismäki
DAS MÄDCHEN AUS DER STREICHHOLZFABRIK
Bühnenfassung von Jennifer Whigham

Das Leben der jungen Iris ist ein ziemlich freudloses: Ihre Tage verbringt sie am Fließband in einer Fabrik, in der sie die Verpackungen von Streichholzschachteln kontrolliert. Abends schmeißt sie den Haushalt für ihre meist schweigend und Kette rauchend in den Fernseher starrende Mutter und den ungeliebten Stiefvater. In einer Bar trifft sie Arne und sieht in ihm den ersehnten Ausweg, doch er lässt sie ebenso schnell sitzen, wie er aufgetaucht ist. Herber enttäuscht denn je stellt Iris fest, dass sie schwanger ist und beschließt, fortan offensiver um ihr Glück und das ihres Kindes zu kämpfen … In Aki Kaursimäkis Film wird das altbekannte Märchen vom „Mädchen mit den Schwefelhölzern“ zu einer desillusionierenden Bestandsaufnahme, einer zeitgenössischen Dystopie, die diese szenische Installation aufgreift und fortschreibt, in Duisburg-Ruhrort neu verorten und neu erzählen will – als eine Geschichte von Verlusten, Leer- und Stillstand, doch auch von Hoffnung und neu entstehendem Leben, von der Möglichkeit, sich das Märchen zurückzuerobern.
Inszenierung: Jens Kerbel und Jennifer Whigham
Bühne: Gesine Kuhn
Kostüme: Sigrid Trebing
Video: Lars Figge/Jens Kerbel
Dramaturgie: Kristina Wydra
Mit: Maria Amman, Sabine Osthoff, Andreas Maier, Ralph Püttmann
Premiere im Rahmen der Festivals RUHR2010 und Duisburger Akzente: Mai 2010, Ehemalige Taxizentrale in Duisburg-Ruhrort


PRESSE:
WAZ, 26.05.2010
Ein Leben im Streichholzkasten
Jennifer Whigham und Jens Kerbel inszenieren ein Stück nach dem Film von Aki Kaurismäki in der ehemaligen Ruhrorter Taxizentrale
Sechs Garagen, sechs Fenster in die freudlose Welt der Fabrikarbeiterin Iris. Am Montag hatte „Das Mädchen aus der Steichholzfabrik“ nach dem Film von Aki Kaurismäki in der ehemaligen Taxizentrale auf der Luisenstraße in Ruhrort Premiere. Das Stück erzählt die Geschichte der Fabrikarbeiterin Iris, die neben der Arbeit am Fließband den elterlichen Haushalt schmeißt und sich mit ihrer frustrierten Mutter und deren passiven Lebensgefährten arrangieren muss. Sie verliebt sich in die Diskobekanntschaft Arne, schläft mit ihm und wird schwanger. Ein Leben im Streichholzkasten.
Iris wird stärker, autonomer und nimmt ihr Schicksal und das ihres Kindes in die Hand. Sie will die Ausnutzung beenden. Im Kampf um die Freiheit greift sie zu extremen Mitteln. Sabine Osthoff gelingt es, diese Entwicklung überzeugend nachzuzeichnen. Auch Maria Amman (Mutter), Ralph Püttmann (Arne) und Erzähler Andreas Maier agieren souverän. Maier greift auch aktiv in die Geschichte ein, er bringt das Publikum zum Schmunzeln und er gibt Orientierung im schwierigen Bühnenraum.
Das Regieduo Jennifer Whigham und Jens Kerbel nutzt die Garagen der ehemaligen Taxizentrale: Gegenüber, rechts oder links vom Zuschauerraum werden die Türen geöffnet, Szenen gespielt und Dialoge gesprochen, bis sich die Türen wieder schließen und eine neue Garagentür den Blick auf eine neue Szene eröffnet.
Die Garagen werden Fenstern in Iris’ unterschiedliche Lebensräume. Damit nähert sich die Inszenierung dem Film an. Oft weiß der Zuschauer nicht, wohin er den Blick zuerst richten soll. „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ muss man zwei- oder dreimal sehen.
Von Maria Romanski
Rheinische Post, 03.06.2010 (Auszug*)
Duisburg: Liebe, Sehnsucht, Ruhrort. Das Mädchen aus der Streichholzfabrik in der alten Taxizentrale
[...] Die Theater-Adaption des gleichnamigen Films von Aki Kaurismäki gehört zu den Highlights des Akzente-Programms im Duisburger Hafenstadtteil Ruhrort. Das von Jennifer Wigham und Jens Kerbel inszenierte Stück hält eine wunderbare Balance zwischen beißender Komik, Melancholie und herber Desillusionierung. Getragen von einem starken Schauspieler-Quartett, allen voran Sabine Osthoff in der Hauptrolle, erzählt das Stück in sensiblen Bildern vom Leben der jungen Iris, die in einer Streichholzfabrik am Fließband arbeitet. In typischer Kaurismäki-Manier meistert sie nach (Schicksals-)Schlägen ihr Leben.
Von Hermann Kewitz
Rheinische Post, 08.06.2010 (Auszug*)
Abtauchen im Hafenstadtteil
[…] Ein Kultstück. Die vielleicht schönste Ruhrorter Inszenierung wurde in der ehemaligen Taxizentrale gezeigt: "Das Mädchen aus der Streichholzfabrik". Die Inszenierung von Jennifer Whigham und Jens Kerbel nach dem gleichnamigen Film von Aki Kaurismäki könnte zum Kultstück werden, wenn es gelänge, noch eine weitere Aufführungsserie zu realisieren. […]
Von Peter Klucken
* In Auszügen zitiert, da es sich bei den Kritiken um festivalübergreifende Berichte handelt.
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That’s the place where you first met someone and that’s the place where you fell out of love, and that’s the place where your money got stolen and that’s the place where you ran for a taxi and it wasn’t raining, and there’s a building you slept inside, once perhaps, or many times, and isn’t this a street you used to live on, and weren’t you always the person staring out the car window, watching the world like the movies, and weren’t you always the one who’d travelled a long way, through the day and into the night... (Tim Etchells)